Von Cascade Locks zum Northern Monument: Tag 123 bis 149 (Kilometer 3459,7 bis 4273)
Die Nacht war leider nicht so geruhsam. Direkt neben dem Campingplatz führt die Güterzuglinie vorbei. Als der erste Zug vorbeirauscht, sitzen wir senkrecht im Zelt. Wir haben das Gefühl, als ob der Zug mitten durch unser Zelt rattert. Der Boden vibriert und in den Ohren klingelt das laute Tuten. Und gefühlt rattert jede halbe Stunde ein Zug vorbei. Dafür lassen wir den Morgen gemütlich angehen. Dann machen wir uns auf Weg, die Bridge of Gods zu überschreiten. Glücklicherweise sind nicht so viele Autofahrer unterwegs, so dass auf der Brücke nicht viel los ist. Es gibt für Fußgänger keinen „Bürgersteig“ und die Brücke ist gerade so breit, dass zwei Autos aneinander vorbeikommen. Zudem ist der Untergrund nur ein Metallgitter, also nichts für Pitas Pfoten. Unsere Diva wird daher über die Bundesstaatengrenze getragen. Sie genießt es sichtlich.


Der Regen hat leider nur für eine kurze Abkühlung gesorgt. Es wird wieder sehr warm und jetzt auch noch richtig schwül. Ich kämpfe mich immer noch durch den Tag und habe meinen Laufrhythmus weiterhin nicht gefunden. Dennoch habe ich das Gefühl, dass es langsam jeden Tag etwas besser wird. Glücklicherweise gibt es genügend kühle Bäche, in die wir reinspringen, uns abkühlen und während der heißen Mittagszeit etwas verweilen können.

Bäume mit Pelzmäntel
Abends kommen wir in einem verwunschenen Wald an. Ein kühler Bach fließt durch das Tal und die alten Bäume tragen einen dicken Pelzmantel aus Moos. Ich bin total fasziniert davon, wie zentimeterdick die Bäume eingepackt sind.

Da alle PCT Hiker einen Stopp in Cascade Locks einlegen, knubbelt es sich mal wiedermal beim Schlafplatz. Wir finden ein ruhiges, verwunschenes Plätzchen etwas abseits von den anderen Hikern.

Leider bleibt es nicht lange so. Nach und nach trudeln noch mehr Hiker ein und ehe wir uns versehen, stehen noch fünf weitere Zelte um uns herum.
Der nächste Tag beginnt mit einem langen Anstieg. Dafür ist es nicht mehr ganz so schwül und ich habe endlich wieder in meinen Rhythmus gefunden. Wir schauen, dass wir nicht mehr wie 27 Kilometer laufen, damit es für Pita nicht zu viel wird. Da wir weiterhin früh aufstehen, um die kühlen Morgenstunden auszunutzen, können wir uns lange Mittagspausen gönnen und sind trotzdem schon früh fertig. Nur leider können wir nicht wirklich den frühen Feierabend genießen. Die Moskitos sind an manchen Orten eine richtige Plage. Es hilft nichts, wir können nur ins Zelt fliehen. Auch wenn wir das Außenzelt nicht runterklappen, ist es trotzdem im Zelt deutlich wärmer und stickiger. Wir müssen es nehmen, wie es ist. Nicht von Moskitos aufgefressen zu werden, ist für mich das kleinere Übel. So lieg ich im Zelt und lausche den Geräuschen der Natur: dem aufdringlichen Zurren der Moskitos, dem gefräßigem Rap Rap Rap der Holzböcke, dem Summen der Bienen, dem Gezwitscher unterschiedlicher Vögel, zwischendurch das laute Brüllen eines Bullfrogs und Pitas zufriedene Schnarchen und Schmatzen. Zwischendurch schreckt sie immer wieder auf, weil eine aufdringliche Wespe zu nah und laut ans Zelt geflogen kommt. Pita würde am liebsten durch die Zeltwand stürmen und ihr mit einem Haps ihre Meinung kundtun.
Meine Vorsätze für Washington
Irgendwann wird es Zeit für das Abendessen, Freude macht es nicht mehr. Ich habe das ganze Hikerfood über, nur noch M&M schmecken gut. Ich könnte sie weiterhin massenweiße in mich reinstopfen. Alles andere muss ich mir reinzwängen, Nudeln, Müsliriegel, Tortillafladen, etc. ich kann alles nicht mehr sehen und schon gar nicht mehr essen. Aber da ich weiß, wie sehr ich die Kalorien brauche, zwänge ich mir, so viel wie geht, rein. Jetzt ein Salat oder Rinderrouladen mit Knödeln. Leider wird mensch von der Phantasie nicht satt. Zum Glück hat die Blaubeersaison begonnen. Abgesehen von den M&M sind die mein einziger kulinarischer Trost. Für den letzten Abschnitt Washington nehme ich mir zwei Sachen vor: so oft wie möglich in einem See oder einem Bach zu baden und so viele Blaubeeren wie möglich zu essen.

Wir kommen in Trout Lake an und gönnen uns erstmal einen Blaubeerkuchen und einen Blaubeermilchshake. Ich habe zwar gefühlt schon ein halbes Kilo Blaubeeren in meinem Magen, aber da passen immer noch ein paar rein. Wir quartieren uns hinter der Kirche auf einer Wiese ein. Und kühlen uns erstmal in dem Bach, der dort entlang fließt, ab. Das klappt schon mal richtig gut mit meinen zwei Vorsätzen für Washington. Der Tag ist wieder gefüllt mit Wäsche waschen, unser Resupply Packet abholen und alles sortieren. Ich hole uns im Laden, obwohl es relativ teuer, ist ein paar frische Zutaten und so gibt es Nuddeln mit richtiger Tomatensoße und frischem Gemüse. Und schon fällt das Essen wieder ganz leicht.
Am späten Abend fängt es mit regnen an und ein Gewitter ist in der Nähe zu hören. Plötzlich schlägt ein Blitz krachend in der Nähe ein. Das ist nicht gut, Gewitter bedeutet neue Waldbrände. Nach einer halben Stunde ist alles wieder ruhig und trocken. Am nächsten Tag ruhen wir uns noch bis zum Nachmittag aus und lassen uns dann mit dem letzten Trail Angel Shuttle zurück an den Trail fahren. Kurz bevor wir da sind, sehen wir eine Rauchsäule aus dem Wald steigen. Wie ich vermutet hatte, ist der Blitz gestern eingeschlagen. Wir machen uns mit ca. 12 anderen Hikern auf den Weg, kommen aber nicht weit. Nach einer halben Stunde werden wir von Feuerwehrleuten zurückgeschickt. Der PCT ist aufgrund des gestern ausgebrochenen Feuers gesperrt. Wir können jedoch den gesperrten Teil über einen anderen Weg umlaufen. Über uns fliegt ein Löschhubschrauber im 15 Minuten Takt und holt Wasser aus einem nahgelegenen See. Die Insekten sind eine echte Plage. Erst beißen uns kleine Fliegen, denen unser Mückenspray egal ist. Die Bisse sind echt schmerzhaft, auch wenn sie keine juckenden Stiche hinterlassen. Es hilft nur die Regenhose und Regenjacke anzuziehen, was wieder schwitzen und klebrige Haut bedeutet. Nachdem die Mücken endlich weg sind, kommen die Moskitos in Scharen, also auch noch Moskitonetz über den Kopf ziehen. Wir finden dafür ein schönes Plätzchen für die Nacht an einem Fluss, ein kleiner Trost.

Von Moskitos ins Zelt vertrieben
Wir bauen das Zelt auf. Die Stechviecher machen mich fertig, so schlimm waren sie noch nie, zumindest für mich. Dirk hat in Oregon schon ein paar Mal eine schlimme Plage gehabt. Ich hebe kurz mein Moskitonetz hoch, um mir einen Keks für die Nerven in den Mund zu stopfen und sofort ist meine Stirn total zerstochen. Bären sind heute eindeutig die geringere Gefahr. Ich bestehe darauf, im Zelt unkomplizierte kalte Küche zu machen. Also schnell Reisverschluss auf, Rücksäcke, Hund und wir samt Schuhen ins Zelt geschmissen, Reisverschluss schnell wieder zu. Gut, dass wir so ein großes Zelt haben. Wir sortieren uns kurz, töten noch einige Moskitos, die es mit uns ins Zelt geschafft haben und dann gibt es Kekse, Tortillas mit Käse und Salami. Auf Zähneputzen verzichte ich, nur schnell Pipi machen. Dirk wagt sich dankenswerter Weise nochmal raus und hängt unser Essen bärensicher in einen Baum.
Der nächste Tag geht durch wunderschöne Landschaft mit viele Bergseen. Die Temperaturen sind angenehm. Pita ist wieder aktiv und munter, so dass wir uns entscheiden, doch wieder mehr Kilometer zu laufen.

Mittags kommen wir zu einer Absperrung, der Waldbrand hat sich so schnell ausgebreitet, dass niemand mehr in Richtung Trout Lake darf. Wir dürfen den PCT vom Feuer weglaufen, aber in die andere Richtung geht gar nichts mehr. Da die Zufahrtsstraßen zum PCT nicht mehr zugänglich sind, ist es nicht mehr möglich, das südliche Drittel von Washington zu laufen. Wir waren die letzten Hiker, die noch durchgekommen sind. Alle nach uns müssen zwischen Cascade Locks und White Pass den PCT auslassen. Trout Lake wird in ein paar Tagen komplett evakuiert werden. Ich bin dankbar, dass wir noch durchgekommen sind. Die Strecke zwischen Trout Lake und White Pass, die Goat Rock Wilderness, gilt als besonders schön. Wir genießen die Landschaft und haben immer wieder Blick auf den schneebedeckten Mount Rainier.

Goat Rock Wilderness
Die Goat Rock Wilderness zeigt sich uns von ihrer besten Seite. Strahlend blauer Himmel, zerklüftete Berge, klare Bergseen und grüne Wiesen gesprenkelt mit vielen bunten Blumen. Ich entdecke sogar blauen Enzian.

Am höchsten Punkt der Goat Rock Wilderness werden wir belohnt: Pita mit einem Schneefeld, auf dem sie sich austoben darf und wir bekommen ein Stück alpinen Weg, das den dramatischen Namen Knife‘s Edge trägt. Es ist eine ausgesetzte Traverse über Geröll, teilweise auf einem sehr schmalen Grat. Bei schlechtem Wetter bzw. schlechter Sicht darf dieses Stück sicherlich nicht unterschätzt werden und es bedarf für diesen Teil zu jeder Zeit Schwindelfreiheit und Trittsicherheit. In Mitten des ganzen Gerölls finde ich dann auch noch einen schönen Bergkristall.

Und den Abend lassen wir mit einem kühlen Bad an einem wunderschönen Schlafplatz mit kleinem Bach und natürlichem Infinity Pool ausklingen.

Bevor wir wieder in die Zivilisation kommen, gönnen wir uns mal wieder ein kühles Bad in einem der vielen Seen. Wenn Vorsätze immer so leicht umzusetzen wären! Dann sind wir am White Pass. Wir haben Glück und am Wanderparkplatz treffen wir auf einen Wanderer, der mit seiner Mehrtagestour fertig ist und uns nach Packwood mitnimmt. Vor der Abfahrt bietet er uns noch „richtiges“ Essen an, aber da für uns Tortillas mit Thunfisch auch schon zum Hikerfood gehört und wir es überhaben, lehnen wir dankend ab. Über einen Apfel freuen wir uns aber riesig und ich beiße herzhaft hinein. Pita scheint die Frage auch gehört zu haben. Als wir auf der Beifahrerseite einsteigen, entdeckt sie den Thunfisch Wrap, den unsere Mitfahrgelegenheit für sich auf der Mittelkonsole abgelegt hat. Mit einem Haps verschwindet dieser in Pitas Maul und Magen, nur Lucky Luck wäre vielleicht schneller gewesen. Wir müssen alle lachen. Das war für Pita definitiv die beste Mitfahrgelegenheit auf dem gesamten Trail.
Packwood liegt wieder unten im Tal, wie schön war es über 2000 Meter Höhe. Es ist wieder unerträglich heiß und am Supermarkt gibt es kaum Schatten. Das bisschen Schatten teilen wir uns mit zwei anderen Hikern. Wir kaufen so schnell wie möglich ein und verstauen unseren Resupply. Dann stellen wir uns wieder an die Straße und hoffen, dass wir nicht allzu lange warten müssen. Die Hitze schafft uns einfach. Da hinter White Pass die Straße aufgrund eines weiteren Waldbrandes gesperrt ist, fahren kaum mehr Autos zu dem Pass hoch. Aber wir haben Glück, nach ein paar Minuten nimmt uns ein Ranger vom Mt. Rainier National Park mit und fährt uns, auch wenn es nicht auf seinem Weg liegt, zum Pass. Wir müssen uns erst wieder von der Hitze erholen und quartieren uns auf dem Campingplatz ein, der glücklicherweise an einem See liegt und so ist erstmal wieder baden für mich angesagt. So langsam machen wir uns Gedanken, wie es sein wird, wenn wir mit dem PCT fertig sind. Wie wird es sich anfühlen, nicht mehr wunde Füße zu haben? Wie wird es sein, wenn wir einfach nicht mehr laufen müssen? Und wird Pita wie ein normaler Hund wieder aus einem Napf oder einer Pfütze trinken oder wird sie auf ihren Becher bestehen?

Endlich Wolken und Regenwetter
Da die Temperaturen deutlich angenehmer sind, entscheiden wir uns für Ausschlafen und stehen erst um 6 Uhr auf. Das Thema Waldbrand begleitet uns weiterhin, aber es ist irgendwie völlig normal und alltäglich geworden. Immer wieder bekommen wir die Nachricht, dass es Brände entlang des Weges gibt und immer wieder bangen wir, ob der Weg gesperrt wird oder nicht. Wir kommen durch ein abgebranntes Waldstück, die Baumskelete säumen den ganzen Hügel. Die neuen Bäume sind noch sehr klein. Ich hätte den Waldbrand auf vor 10 Jahren geschätzt. Am Ende des Waldstücks steht eine Infotafel. Der Waldbrand fand vor über 45 Jahren statt. Es macht mir deutlich, dass die Natur in anderen Zeit Dimensionen wie ein Menschenleben funktioniert und wie wichtig es ist, die Natur zu schützen und ihr beim Regenerieren zu helfen, da es oft sehr, sehr lange dauert.

Die Blaubeeren zwischen White- und Snoqualmie Pass sind eindeutig die Besten. Der Abstand zwischen mir und Dirk wird immer größer, da ich diszipliniert meinen Vorsatz umsetze und so viele Blaubeeren wie möglich in mich reinstopfe. Auch mittags pimpe ich meinen Tortilla Fladen mit Blaubeeren.

Das Wetter ändert sich langsam, es ziehen Wolken auf und dann regnet immer wieder. Ein Tag ist besonders beeindruckend, 500 Meter laufen wir durch Regen, dann kommen wir um die Kurve und es ist trocken, nach 500 Metern geht es wieder um die Kurve und plötzlich ist wieder alles nass. Wir treffen auf ein Pärchen, dass genau auf einem der Regenstücke gezeltet hat, sie sind völlig durchnässt und fluchen und schimpfen laut. Wir müssen lachen. Glück und Pech liegen manchmal so nah beieinander. Wir haben keinen Kilometer von ihrem Schlafplatz genächtigt und sind völlig trocken geblieben.

Seit wir in Washington sind, kommen uns langsam immer mehr SoBo (Southbound) Hiker entgegen. Ich bin froh, dass wir uns für die NoBo (Northbound) Variante entschieden haben und für ein frühes Startdatum. So konnten wir doch relativ viel laufen. Kaum war die SoBo Saison gestartet, ging es schon mit den ersten Waldbränden und Trail Schließungen los. Manche konnten nur ein Drittel von Washington laufen.

PCT Trail Days
Vom Snoqualmie Pass fahren wir mit einem Trail Angel nach Seattle. Wir unterbrechen unsere Wanderung für ein paar Tage. Wir nehmen uns ein Mietauto und fahren wieder zurück nach Cascade Locks. Dort finden die PCT Trail Days statt. Diese sind immer Mitte August an einem Wochenende. Die kleine Insel, die vor Cascade Locks vorgelagert ist, wird von den Veranstaltern angemietet und Hiker, die nach am Wandern oder gerade fertig sind, sowie Trail Angels können dort während der Veranstaltung zelten. Als wir in Cascade Locks ankommen, sind wir beeindruckt wie viele Zelte auf der Insel stehen.

Wir können uns dort nicht einquartieren. Hunde sind nicht erlaubt und so schlafen wir mit Pita im Auto auf einem Wanderparkplatz außerhalb der Stadt. Im Park am Ufer des Colombia Rivers haben verschiedene Schausteller ihre Stände aufgebaut, es gibt auch einen Bereich für Essen und Trinken, sowie eine Bühne. Am Samstag und Sonntag gibt es unterschiedliche Programmpunkte. Die verschiedenen Firmen anbieten, von Kuchen wettessen, über Zeltaufbauwettrennen, PCT-Modenschau etc. Zudem kann mensch an den verschiedenen Ständen Produkte kaufen oder reparieren lassen oder mit etwas Glück auch gewinnen. Fast jeder Stand bietet ein Gewinnspiel an. Wir lassen unsere Rucksäcke und Trekkingstöcke kostenlos reparieren. Bei der Tombola haben wir kein Glück, dafür gewinnen wir an verschiedenen Ständen richtig gute Sachen. Beim Rucksackgewichtschätzen bin ich sogar die Beste und freue mich über einen ultraleichten kleinen Tagesrucksack. Und wir treffen ganz viele bekannte Hiker wieder. Am meisten freuen wir uns, über Yeti und Spaetzle. Sie sind am gleichen Tag wie wir gestartet. Zum ersten Mal haben wir sie bei Idyllwild im Paradise Café getroffen. Seitdem sind wir ihnen immer wieder begegnet. Sie sind gerade fertig geworden, wir haben noch das letzte Stück vor uns. Wir verabreden uns für nach dem PCT bei ihnen Zuhause in L.A.

Die PCT Days enden mit einem heftigen Gewitter. Wir sind froh, in unserem Mietauto nach Seatlle zu fahren, während der Starkregen auf uns niederprasselt. Wir geben unser Mietauto dann wieder in Seattle ab.
Wiedersehn mit alten Bekannten
Auf der Suche nach einem Ride von dort zurück zum Snoqualmie Pass haben wir über Facebook einen weiteren alten PCT Bekannten getroffen. In Campo haben wir Doug mit seinem Hund Buddy kennengelernt. Pita und Buddy haben sich sofort angefreundet. Und sich die Zeit mit Rumtollen und Spielen vertrieben, während wir auf unseren Starttag und besseres Wetter gewartet haben. Leider hat Doug es nur bis Morena Lake geschafft. Schon nach ein paar Tagen hat er sich am Fuß verletzt. Er musste aufhören und den PCT auf das nächste Jahr verschieben. Er lebt in der Nähe von Seattle und bringt uns zum Pass. Nicht nur bei Pita und Buddy ist die Freude groß über das Wiedersehen, auch wir freuen uns riesig. Pita und Buddy dürfen erstmal auf einen Hundespielplatz. Diese sind in den USA super. Und dann tauschen wir uns bei einem leckeren Essen darüber aus, was wir in den letzten Monaten erlebt haben. Am Spätnachmittag hat uns dann aber der Trail für den letzten Abschnitt wieder.

Kanada ist das Ziel
Das Dauer-Gute-Wetter scheint endlich vorüber zu sein. Es ist bewölkt und wird in den nächsten Tagen immer wieder Regnen. Wir sind gespannt, wie lange wir noch auf dem PCT laufen und wo wir am Schluss rauskommen werden. Ein großes Stück des PCTs (etwa zweidrittel von Washington) ist mittlerweile aufgrund vieler Waldbrände gesperrt. Wir hatten noch das Glück und konnten das erste Drittel komplett laufen. Ob die letzten Kilometer des PCT zur Grenze von Kanada offen bleiben, ist jeden Tag die große Frage. Auf der kanadischen Seite in der Nähe des Northern Monument ist ein Waldbrand und in der Nähe des PCTs auch auf der US Seite sind schon einige Wege gesperrt. Einige Hiker haben daher die PCT Days ausgelassen oder sind wild hin und her geflipflopt, um zum Northern Terminus zu kommen, bevor dieser eventuell nicht mehr erreichbar ist und sind dann später den Rest gelaufen. Wir lassen uns einfach überraschen, wo wir über die Grenze nach Kanada kommen, ob es auf dem PCT oder einer Alternative sein wird, egal: Kanada ist das Ziel.
Vor uns liegt jetzt ein besonders schöner Teil von Washington. Pita ist auch wieder voll in ihrem Element und sprüht vor Energie, die kühleren Temperaturen machen so viel aus.

Es ist leicht bewölkt und trotzdem können wir die Berge um uns herum sehen. Diese sind viel zerklüfteter wie bisher und überall gibt es klare Bergseen. Ich komme jeden Tag zu einem kühlen Sprung ins kalte Nass und der Bauch ist täglich gut mit Blaubeeren gefüllt. Was für eine super Belohnung bei den vielen Höhenmetern, die wir weiterhin täglich machen. So macht mir das Wandern richtig Spaß.

Zwischendurch bekommen wir einen leichten Regenschauer ab, beim Wandern stört dies überhaupt nicht und für ne Snack Pause spannt Dirk einfach schnell unser Zelt als Regenschutz auf.

Die Landschaft ist hier so schön, dass ich am liebsten zu jedem Bergsee einen Abstecher machen möchte. Der Scenic Lake hat es mir besonders angetan. Aber keine Chance, Dirk hat genug von Scenic, er will endlich ankommen und ist schon genügend Kilometer mit genügend Höhenmeter gelaufen. Kein Meter mehr wie nötig ist bei ihm nur noch die Devise. Ich kann ihn verstehen und so genieße ich einfach nur den traumhaften Blick auf den Scenic Lake.

Ich werde dafür mit einem der schönsten Schlafplätze auf dem PCT belohnt.

Auf zum Schnitzelessen nach Bayern
Wir können es gar nicht fassen, dass unsere Wanderung bald zu Ende sein wird. Wir kommen zum letzten Resupply. Wir steigen zum Stevens Pass ab und bekommen sofort eine Mitfahrgelegenheit nach Leavenworth. Dieses Städtchen lebte früher vom Mienenbau. Als das ausgeschöpft war, musste was Neues für den Lebensunterhalt her. Seitdem ist Leavenworth das bayrische Dorf an der Westküste. Es gibt Straßenschilder in Deutsch (zum Parkplatz, zum Schwimmbad, etc.), die Häuser sind im „bayrischen Stil“ (wer aus Bayern kommt oder dort länger gelebt hat, erkennt sofort, dass dieses Dorf nicht in Bayern ist, aber es ist nicht zu kitschig und ganz gut gemacht). Selbst der McDonalds ist in dem Stil errichtet worden. Es gibt viele bayrische Wirtshäuser, die ganze Fußgängerzone riecht nach Bratwurst. Im Park spielt die Trachten- und Musikgruppe „bayrische Musik“, es gibt sogar eine Albhornbläsergruppe. Das kulturelle Spektakel tun wir uns nicht an. Wir kehren nur in ein Wirtshaus ein und gönnen uns Wiener- bzw. ein Jägerschnitzel und ein kühles Bier dazu. Es schmeckt nicht wie Zuhause, aber abgesehen von Burgern, Chilli con Carne und mexikanischem Essen ist es das beste Essen, was wir hier in den USA bisher hatten.

Dann schlendern wir zum Campingplatz außerhalb des Ortes. Vorher müssen wir aber noch in den Supermarkt, wir brauchen noch einen Nachtisch und holen uns ein Eis. In den USA gibt es ja nur so riesige Bottiche, aber die 2 Liter Eis sind unglaublich schnell verputzt.
Für unsere Versorgung für die letzten zwei Tage hat sich Dirk was Besonderes ausgedacht. Wir versuchen nochmal, all unser Hiker Food zu essen, von Ramen über Pop Tart, von Salami, Käse und Trotilla Fladen über M&M’s, Nüssen und getrockneten Mangos bis hin zu Nudeln mit Tacosoße. Nur das Porrige kaufe ich nicht, die Packung und der Widerwille, es zu essen ist einfach zu groß.
Und wie der Anfang so das Ende
Am nächsten Morgen geht es mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur nächsten Stadt. Wir müssen ein großes Stück des Trails umfahren, der nördliche Teil des PCT ist größtenteils gesperrt bzw. muss ausgelassen werden, da es keinen Zugangsmöglichkeit gibt. Dies bedeutet leider auch, dass wir nicht durch Stehekin kommen werden. Dieser Ort liegt an einem großen See und es gibt dort eine Bäckerei, die berühmt für ihre Zimtschnecken ist. Unser Resupply Packet, dass wir dort hingeschickt haben, ist mittlerweile in der nächst größten Stadt gelagert, dass werden wir uns noch nach dem Trail irgendwohin schicken lassen. In der nächsten Stadt bekommen wir spontan eine Mitfahrgelegenheit nach Manzama. Hier kommen wir in dem berühmten Lions Den unter. Ein kleines PCT Hiker Paradies ganz im Norden von Washington. Hier verbringen die SoBo Hiker oft ihre erste Nacht bevor sie sich auf dem Weg zum Northern Terminal ausmachen und die NoBo verbringen ihre letzte Nacht bevor sie es endlich geschafft haben. Es gibt ein kleines Häuschen nur für die Hiker mit einer Küche und einem Bad und ein paar Schlafplätzen. Wir schlafen draußen im Garten in unserem Zelt. Zwei Trail Angel unterstützen „Lion“ bei der Versorgung der PCTler. Am spannendsten ist für alle Hiker die Waage in der Küche. Dirk hat ganze 8 Kilo verloren. Wir haben aber das Gefühl, dass er nach der Sierra schon wieder etwas zugelegt hat und nicht mehr ganz so ausgemergelt ist. Ich habe anscheinend in meiner 2 wöchigen Pause wieder gut zugelegt. Mein Gewichtverlust liegt nur bei 1,5 Kilo.

Wie zu Beginn in Campo sind jetzt hier in Manzama alle Hiker aufgrund des Wetters zu einer kleinen Zwangspause verdonnert worden. Oben am Hart’s Pass, wo wir hinmüssen, ist eine schlecht Wetterfront mit Regen und Schnee. Die Rangerin hat angeordnet, dass nur noch Hiker abgeholt werden und erstmal keine weiterlaufen dürfen. Unten im Tal stört uns der Regen nicht, der Garten ist gut überdacht. Glücklicherweise ist der Platz so gemütlich und sehr nette andere Hiker da. Ich nutze den Pausentag und fahre nach Winthorp, ein kleines Cowboy Städtchen, Bummel etwas durch die Straße, geh in ein kleines Freilichtmuseum und gönne mir ein leckeres Eis.

Dirk nutzt den Tag zum Arbeiten und Pita faulenzt einfach. Abends gehen wir noch in die Dorfkneipe und stoßen auf den PCT an. Wir können es einfach nicht fassen, in zwei Tagen ist es einfach geschafft und vorbei.
In der Früh können wir endlich zum Hart’s Pass hoch. Es gibt einen Trail Angel Shuttel, der alle Hiker dort hinbringt. Dieses Jahr sind diese ganz schön beschäftigt. Durch die Trail Schließungen müssen jetzt alle PCTler einen Stopp in Manzama machen und können nicht vom Stevens Pass durchlaufen. Wir bekommen zum Schluss nochmal richtig gutes Wetter und entschließen uns daher, dass letzte Stück auf zwei Tage aufzuteilen. Wir genießen die Bergsicht und das Gefühl, dass wir es wirklich geschafft haben.

Der letzte Teil
Der letzte Tag wird unwirklich. Wir können es einfach nicht fassen, dass wir einfach nicht mehr laufen, laufen, Essen, schlafen, laufen, laufen werden. Gegen Mittag kommen uns die ersten Finisher entgegen, die nicht über die Grenze nach Kanada wandern, sondern wieder zum Hart’s Pass zurückkehren. Wir gratulieren jeder und jedem freudig. Am letzten See machen wir nochmal eine Pause, ich muss mir einfach nochmal ein kühles Bad gönnen. Dirk und Pita nutzen die Zeit für ein Nickerchen. Und dann ist es nur noch ein Kilometer bis zum Ziel. Irgendwie ist es lustig, auf dem ersten Kilometer des PCTs haben wir uns so gefreut endlich einfach nur zu laufen. Auf dem letzten Kilometer freuen wir uns so, endlich nicht mehr laufen zu müssen. Wir halten den Moment noch schnell fest und dann aber wirklich zum Ziel.

Und dann sind es nur noch 500 Meter bis zum Ziel. Es geht leicht bergab. Wir sind mitten im Wald und fragen uns, wo hier gleich die Grenze und der Northern Terminus sein sollen. Wir hören Stimmen und Gelächter. Pita darf vorlaufen und als erste das Ziel erreichen. Das hat sie sich mehr als verdient. Ich bin so beeindruckt, dass sie es geschafft hat. Das sie alle Schwierigkeiten wie Hitze, Schnee, Hunger, Klapperschlangen, Wasserdurchquerungen, unzählige umgefallene Baumstämme, Erschöpfung und Verletzungen so tapfer und munter gemeistert und ihr sonniges Gemüt beibehalten hat. Ich laufe direkt hinter Pita und dann kommt Dirk. Wir biegen um die letzte Kurve und da ist es: das Northern Monument. Wir werden mit Klatschen und lauten Rufen von den bereits anwesenden PCTlern in Empfang genommen. Darauf müssen wir erstmal mit Cola und M&M’s und etwas Perlwein aus der Dose anstoßen.

Dirk sitz erstmal nur da und ist glücklich.

Und dann halten wir den Moment am Northern Monument fest.

Ich tragen uns ins das PCT Buch 2024 ein. Zudem freue ich mich, bekannte Trail Namen im Buch zu finden. Eine lange, lange Wanderodyssee geht nach 148 Tagen zu Ende. Der Pacific Crest Trail mit seinen 4270 Kilometern durch drei US Bundesstaten (Kalifornien, Oregon und Washington), entlang zweier Gebirgsketten (Sierra Nevada und den Kaskaden), durch sieben verschiedene, geologische Zonen, mit 149.000 Höhenmeter, die bewältigt werden müssen, der höchste Punkt (Forester Pass) befindet sich auf 4.009 Metern und dem niedrigsten Punkt (Cascade Locks) auf nur 43 Metern überm Meer. Dirk hat vier Schuhe und Pita vier Sets Booties durchgelaufen, meine Schuhe haben mich sicher bis ans Ende gebracht.

Wir sind angekommen.
