Pacific Crest Trail Epilog

Der Pacific Crest Trail ist fertig und nun?

Nach 5 Monaten auf dem Pacific Crest Trail packen wir ohne Ziel, Zeitdruck und klare Tagesetappe unsere Sachen zusammen und gehen über die kanadische Grenzen. Dirk angelt sogar vorher noch entspannt am nahegelegenen Bach. Kurz dahinter stellen wir unser Zelt auf. Am nächsten Tag müssen wir noch bis Manning Park, einem Resort. Dort gönnen wir uns erstmal ein Stück Kuchen und einen Kaffee. Und während ich den esse, begreife ich endlich, dass wir angekommen sind und es geschafft haben. Mir laufen die Tränen übers Gesicht.

Gibt es wirklich ein Leben nach dem Pacific Crest Trail?

Wir begreifen dann auch schnell, dass wir nicht mehr auf dem PCT sind. Eine Mitfahrgelegenheit nach Vancouver zu bekommen, ist nicht mehr so einfach wie entlang des Trails. Auf einmal sind wir wieder ganz normale Wanderer für die sich niemand mehr interessiert. Aber nachdem wir mehrere Autofahrer auf dem Parkplatz persönlich angesprochen haben, kommen wir doch noch nach Vancouver. Und was machen wir jetzt mit unseren restlichen Tagen? Nach einem Tag Vancouver zieht es uns wieder raus aus der Stadt und so entscheiden wir uns nach Squamish mit dem Bus zu fahren und uns dort auszuruhen. Und weil uns dann nichts besseres einfällt, entscheiden wir uns, einfach wieder zu laufen. Und so wandern wir den Howe Sound Crest Trail von Squamish nach Vancouver gemütlich in drei Tagen. Und nach 5 Monaten Berge sind wir überglücklich endlich mal wieder das Meer zu sehen.

Vancouver Island und der Juan de Fuca Trail

Kaum sind wir wieder in der Stadt Vancouver, wollen wir auch schon wieder raus in die Natur und so setzten wir mit der Fähre nach Vancouver Island über und laufen in vier Tagen den Juan de Fuca Trail. Für Dirk geht damit noch ein 30 Jahre währender Trekkingtraum in Erfüllung. So lange steht der Trekkingguide vom West Coast Trail in seinem Bücherregal. Der West Coast Trail ist die große Schwester vom Juan de Fuca Trail. Er ist etwas länger und ein kleines bisschen anspruchsvoller. Dafür aber überlaufener, muss lange im Voraus reserviert werden und damit weniger reizvoll. Die Tage auf diesem Trail sind so wundervoll entspannt und noch einmal ein riesiges Highlight. Ich bin 2009 den Trail schon mal gewandert, da er aber so schön ist, freue ich mich ihn nochmal zu genießen. Wale ziehen keine zehn Meter vom Ufer vorbei, Schlafplätze direkt am Strand mit Meerblick und diese unglaublichen Urwälder. Eine absolut perfekte Trekkingtour.

Good bye Vancouver Island und Kanada

Von Victoria auf Vancouver Island fahren wir nach Port Angeles zurück in die USA. Die Fährfahrt geht nicht lange und ist nicht teuer. Und wenn treffen wir auf der Fähre? Ducky’s Dad und Mom. Sie kommen gerade vom Angelurlaub auf Vancouver Island. Die Wiedersehensfreude und -überraschung ist riesig.

Wir fahren nach Seattle und holen uns ein Mietauto. Dann geht es wieder nach Moses Lake. Ich möchte nochmal Honey Badger und Winchester sehen. Zudem müssen wir dort noch unsere Eisgeräte abholen. Wir genießen einen gemeinsamen Abend mit Erzählungen vom PCT.

Und dann beginnt unser Roadtrip zurück nach San Diego. Wir schauen uns die Olympic Peninsula an, da wollte ich seit Jahren schon immer mal hin. Und dort finde ich meine Liebe für das Meer. Bisher hatte ich immer eher Sehnsucht nach den Bergen, immer mal wieder am Meer sein, war schön. Aber die Küste der Olympic Peninsula mit seinen rauen Felsen erobert mein Herz. Dazu kommen noch sehr sehr alte Regenwälder im inneren der Peninsula, diese Halbinsel ist einfach ein magischer Ort.

Ach und da war ja noch ein Resupply Packet. Dieses wurde aufgrund des Waldbrandes von Stehekin nach Wenatchee geschickt und dann habe ich es nach Forks weiterleiten lassen, um es endlich abzuholen. Ich komme aus der Post mit dem Packet raus und wundere mich, wie leicht es ist. Da sollten über 4 Kg Lebensmittel drin sein. Als ich es öffne, bin ich mehr als verwundert. Das meiste fehlt, nur noch die Vollkornnudeln und das Hundefutter sind übrig geblieben. Der Rest ist einfach verschwunden.

Crater Lake, Forester Pass, Mount Withney

Es gibt einige Orte, die für mich einfach noch zum PCT dazugehören und dir mir wichtig sind, sie noch nachzuholen. Da sind noch ein paar Highlights bzw. besondere Milensteine auf dem Pacific Crest Trail, die ich nicht auslassen möchte. Auf unserem Road Trip halten wir am Crater Lake an. Dirk macht mit Pita einen gemütlichen Tag und ich laufe am Kater entlang. Was für ein beeindruckender See. Ich bin glücklich, diesen Abschnitt noch nachholen zu dürfen.

Jetzt fehlt nur noch der erste Teil der Sierra. Ich bin schon gespannt, wie die Sierra ohne Schnee sein wird. Wir quartieren uns in Kennedy Meadows South am General Store für eine Nacht ein. Auch hier treffen wir auf alte Bekannte. Das Pärchen hat neben uns die Nacht vor Cascade Locks und dem Eagle Creek Trail geschlafen. Wir erkennen Sie erst gar nicht, so ohne Regenklamotten. Sie kann sich noch gut an uns erinnern und meint nur, dass sie beeindruckt war, weil ich bei dem Regen und dem Matsch so glücklich ausgesehen habe.

Alone in the woods

Am nächsten Tag breche ich auf. Es wird komisch sein, nach 5 Monaten ohne Pita unterwegs zu sein und ganz alleine zu wandern. Die Landschaft beginnt sanft mit Wiesen und Hügeln. Es kommt mir kaum ein PCTler entgegen. Nachts habe ich den Schlafplatz für mich alleine.

Und dann heißt es wieder viele Höhenmeter zurück zu legen. Die Landschaft wird rauer, Felsentürme ragen auf und überall beeindruckende, alte Bäume. Die Sequoia Bäume sind ein Markenzeichen von Kalifornien und sind namensgebend für den Nationalpark durch den ich gerade laufe.

Diesmal macht mir die längere Wanderpause nicht so zu schaffen. Ich bin sofort wieder in meinem Rhythmus drin. Die Landschaft beflügelt mich, durch die langen Monate habe ich ja auch die absolute Routine auf dem Pacific Crest Trail und alles läuft eigentlich perfekt. Naja vielleicht nicht ganz.

Das Dirk nicht mit dabei ist, merke ich schnell sehr schmerzlich. Er hatte durch die Sierra den Bärenkanister getragen. Jetzt ist dieses harte Ding in meinem Rucksack und drückt mir richtig fies auf die Beckenknochen. Aber ich weiß mir schnell zu helfen und funktionieren meine kleine Isomatte als Beckenschoner um. Ich habe das Gatewood Cape Zelt mit dabei und bin schon gespannt, wie es sich darin schläft.

Das Zelt gefällt mir sehr gut, auch wenn das An- und Ausziehen im Zelt fast schon einer Yogaübung gleicht. Dirk ist ja ein bisschen größer als ich. Da frage ich mich schon, wie er das machen will? Aber wie heißt es so schön? Einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul. Wir haben das Zelt auf den Trail Days in Cascade Locks von Six Moon überlassen bekommen, um es zu testen und einen Bericht darüber zu schreiben. Das haben wir später auch gemacht. Den Blogbeitrags findet ihr hier. Es gibt auch einen Blogbeitrag über die Namensgeberin des Gatewood Capes und des Ultra Light Trekkings, falls Ihr noch Lust habt mehr zu lesen.

Der Sequoia Nationalpark ist ein wirkliches Märchenland. Jeder Baum sieht verwunschener aus als der andere Baum und erzählt eine andere Geschichte. Ich erlebe wahnsinnig schöne Sonnenauf- und Sonnenuntergänge. Hier oben ist die Hitze erträglich, geradezu angenehm und ich kann leicht bekleidet und ohne Schwitzen wandern. Nachts wird es sogar wieder richtig kalt und ich muss mir in der früh Handschuhe anziehen. Ein absolutes Hochgefühl nach den Strapazen der letzten Monate.

Der höchste Gipfel der USA außerhalb von Alaska

Kurz vor der Abzweigung zum Mt. Whitney, am Cottonwood Pass, kommt mir in der Früh eine Tageswandererin entgegen. Ich trau meinen Augen nicht. War Sunshine ihr Name? Es ist das dritte Mal, dass ich ihr begegne. Die letzten beiden Male haben Dirk und ich sie in der Wüste getroffen. Sie ist genauso wirr wie die Male davor und will mir wieder einen „1000 Dollar Schein“ mit irgendwelchen Ankündigungen der Hölle oder so ähnlich andrehen. Ich lehne dankend ab und gehe weiter. In dieser paradiesischen Landschaft, will ich von der Hölle nichts wissen.

Ich genieße die Bergseen der Sierra. Unglaublich, vor ein paar Monaten, war es aufgrund des Eises nicht möglich darin zu baden. Das hole ich jetzt nach. Ich schlage mein Zelt an der Abzweigung zu Mt. Whitney auf. Als PCTler darf ich nicht näher am Gipfel campieren. Ich stelle meinen Wecker auf 1 Uhr nachts. Ich möchte zum Sonnenaufgang am Gipfel sein. Der Wecker klingelt und ich mache mich fertig, schnell ein paar Riegel gegessen, etwas Wasser getrunken und los. Es ist mystisch, durch die sternenklare Nacht zum Gipfel zu wandern. Das letzte Stück wird alpin, es geht in Serpentinen über Felsbrocken zum Gipfel. Und dann bin ich auf 4421 Meter Höhe, dem höchsten Berg der USA außerhalb von Alaska. Die Sonne begrüßt mich und zeigt ihre ersten Strahlen über den Bergketten.

Das obligatorische Bild mit der Metallplakette auf dem Mt. Whitney muss jetzt auch noch sein!

Es ist unglaublich kalt auf dem Gipfel. Nichts wie rein in die Schutzhütte bevor ich einen Kälteschock bekomme (falls es so etwas gibt)! Die Sonne schien endlos lange zu brauchen, bis sie über die Berggipfel gekrochen war. Tagsüber laufe ich in T-Shirt und kurzer Hose und jetzt bin ich am zittern und Zähneklappern.

Nach dem wohlverdienten Kaffee, mache ich mich auf den Abstieg. Mir begegnen wieder deutlich mehr Leute, da ab hier der John Muir Trail mit dem PCT gleich ist. Zu dieser Jahreszeit sind noch viele JMTler unterwegs. Ich erkenne sofort den Unterschied. Oft haben sie mehr Gepäck bei sich und die Kleidung und der Mensch an sich sind in einem deutlich besseren Zustand. Als Mittags wieder an meinem Zelt ankomme, gönne ich mir ein Mittagessen und beschließe erstmal, ein Nickerchen zu machen. Aus dem Nickerchen wird ein längeres Schläfchen und so entscheide ich mich an diesem Tag nicht weiter zu laufen.

Der höchste Pass auf dem Pacific Crest Trail

Jetzt nach der Gipfelbesteigung steht noch der Forester Pass an, der höchste Punkt des PCTs. Im Herbst ist er ein ganz normaler, alpiner Pass. Ich erinnere mich gut daran, wie Dirk den vereisten Aufstieg beschrieben hat und die lange Schneeabfahrt. Der Forester Pass ist die Grenze zwischen dem Sequoia und dem Kings Canyon National Park.

Ich bin zum ersten Mal mit Trail Runnern unterwegs und sehr zufrieden mit meiner Auswahl. Dennoch war meine Entscheidung den PCT mit den Merell Moab zu laufen, genau die richtige. Sie haben mich gut und sicher durch die Wüste, die schneebedeckte Sierra und Washington gebracht. Auf der anderen Seite vom Forester Pass schlage ich mein Zelt auf. Eigentlich wollte ich noch etwas näher zum Kearsarge Pass laufen, um morgen einen entspannteren Tag zu haben. Aber in Far Out wird vor einem Schwarzbären gewarnt, der dort versucht, an menschliches Essen zu kommen. Und er soll mittlerweile sehr aufdringlich sein. Hiker sollen den Bären laut vertreiben, so empfehlen es die Ranger hier, darauf kann ich verzichten.

Ich stelle mein Zelt auf und genieße die Abendstimmung. Plötzlich höre ich ein Bellen. Es klingt wie Pita. Ist Dirk mir mit Pita mir entgegengelaufen? Das Bellen hört gar nicht mehr auf und hallt von einer Bergseite zur anderen. Und dann sehe ich den Ursprung des Bellens. Ein Coyote kommt den Pass runter. Ich wusste gar nicht, dass Coyoten wie Hunde bellen. Er setzt sich auf einen riesigen Felsblock, blickt über sein Tal und verschwindet über den Bergkamm, um dann nochmal auf der anderen Seite lange und ausgiebig zu bellen.

Die letzten Meter auf dem Pacific Crest Trail

Am nächsten Tag starte ich sehr früh und schaffe es bis Mittag zum Bullfrog Lake. Hier in der Nähe habe ich meine erste Nacht in der Sierra verbracht. Wie anders die Landschaft ohne den Schnee und die gefrorenen Seen wirkt. Ich bin froh, dass wir die Sierra im Frühling mit Schnee gelaufen sind. Auch wenn es eine ganz schöne Quälerei war, die Landschaft war irgendwie magischer und bleibt mir als besonderes Erlebnis im Herzen.

Ich gönnen mir noch ein letztes Bad in einem Bergsee und einen Mittagssnack, glücklicherweise ohne Bärengesellschaft.

Bald treffe ich wieder mit Pita und Dirk zusammen. Es gilt noch ein letztes Mal einen Pass zu erklimmen und wieder abzusteigen. Die Landschaft ist nach wie vor atemberaubend. Die Seen glitzern in der Sonne und das herbstliche Licht verbreitet eine wundervolle Stimmung. Das Wandern entlang des Pacific Crest Trails fällt mir leicht, obwohl das nahende Ende mich auch ein wenig traurig stimmt.

Und dann verabschiede ich mich vom PCT mit vielen wundervollen Momenten, unglaublichen Eindrücken, spannenden Begegnungen, viel Selbsterfahrung und Quälerei und vor allem mit ganz viel Dankbarkeit, dieses unglaubliche Abenteuer gemeinsam mit Dirk und Pita gesund überstanden zu haben.

Ein Jahr später…

…vermissen wir den Pacific Crest Trail, die Erfahrungen, wundervollen Momente, Begegnungen und die Entbehrungen immer noch. Nein das Leben ist nicht mehr das Gleiche wie vorher. Oft liegen wir abends im Bett und denken zurück und es fallen Sätze wie: Weißt du noch? Was war da noch einmal? Wie hieß der/die noch gleich? Die Lust sofort wieder loszuziehen ist groß, aber die Vernunft hält uns zurück. Ich bin mir aber sicher, nicht jetzt, aber irgendwann werden wir wieder losziehen müssen. Denn, der Berg ruft!