Spiritualität von Naturvölkern: Träume, das Buch „An das Wilde glauben“ und das Geflochtene Süßgras
Die Spiritualität der Naturvölker ist nicht nur ein faszinierendes Thema, sondern auch ein tiefgründiges Verständnis des Lebens, das in vielen modernen westlichen Kulturen verloren gegangen ist. Sie bietet uns wertvolle Perspektiven zu unseren eigenen spirituellen Praktiken und zeigt uns, wie wir wieder mit der Natur und uns selbst in Einklang kommen können. Besonders die Bedeutung von Träumen, das Verständnis von heiligen Pflanzen wie Geflochtenem Süßgras und die philosophischen Lehren, die uns im Buch „An das Wilde glauben“ vermittelt werden, öffnen einen tiefen Zugang zu einer transzendenten Welt.
Die Spiritualität der Naturvölker: Ein ganzheitlicher Ansatz
Die Spiritualität der indigenen Kulturen basiert auf einer tiefen Verbindung zur Natur und einer Anerkennung der Geister, die in allen Dingen wohnen – in den Tieren, Pflanzen, Steinen und sogar im Wind. Für diese Völker ist der Geist der Natur nicht nur eine metaphysische Vorstellung, sondern eine lebendige und greifbare Kraft, die das tägliche Leben beeinflusst. Rituale, Tänze, Gesänge und die Kommunikation mit der Natur sind zentral für die spirituelle Praxis.
Dabei wird nicht nur die Natur verehrt, sondern auch die Vorstellung, dass jedes Element im Universum miteinander verbunden ist. Die spirituellen Praktiken dieser Kulturen sind deshalb von einer ganzheitlichen Perspektive geprägt, die den Menschen als Teil eines größeren kosmischen Ganzen sieht.
Die Bedeutung von Träumen in der Spiritualität der Naturvölker
Träume spielen eine zentrale Rolle in vielen indigenen Glaubenssystemen. Sie gelten als Tore zu einer anderen Welt, einem Reich der Geister und der Ahnen, aber auch als Quelle der Weisheit und Führung. Für viele Naturvölker sind Träume ein direkter Kontakt zur spirituellen Welt und können den Menschen wertvolle Informationen zu ihrem Lebensweg, zu Heilung oder zu zukünftigen Ereignissen geben.
In vielen Kulturen ist es üblich, dass Schamanen oder spirituelle Führer in Trance gehen, um mit den Geistern zu kommunizieren. Diese Praktiken spiegeln sich auch in der Traumdeutung wider: Träume sind nicht nur willkürliche Fantasien des Geistes, sondern haben eine tiefere Bedeutung. Sie können Antworten auf Fragen liefern, die in der Wachwelt unbeantwortet bleiben, und eine Art von Weisheit vermitteln, die den rationalen Verstand übersteigt.
Träume werden daher als eine Art „Botschaft“ betrachtet – sei es durch Symbole, Bilder oder Visionen. Diese Botschaften können den Träumenden auf den richtigen Weg führen, Heilung bringen oder ihn vor Gefahren warnen. Viele Naturvölker verstehen Träume als Teil eines größeren kosmischen Dialogs zwischen den Lebenden und den Geistern der Ahnen.
„An das Wilde glauben“ – Ein Blick auf die Bedeutung von Wildnis und Spiritualität
Das Buch „An das Wilde glauben“ von Terry Tempest Williams ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Wildnis und Natur für die menschliche Spiritualität. Es beschreibt, wie das „Wilde“ – die natürliche, unberührte Welt – eine Quelle der Erneuerung und Heilung sein kann. Williams spricht von der spirituellen Praxis der indigenen Völker und ihrer Fähigkeit, eine tiefere Verbindung zur Erde und ihren Elementen zu pflegen.
Für Williams ist das wilde Land nicht nur ein Ort der Flucht oder des Abenteuers, sondern ein Ort der spirituellen Kraft und der Erkenntnis. In ihrer Arbeit wird die Wildnis als ein heiliger Raum dargestellt, der uns mit unseren eigenen Ursprüngen und mit dem Universum verbindet. Die Botschaft des Buches ist eine Aufforderung, wieder an das Wilde zu glauben und diese Verbindung zu schätzen, um die tiefere Weisheit der Natur zu erkennen.
Geflochtenes Süßgras: Ein Symbol der Verbindung und Heilung
Geflochtenes Süßgras hat in vielen indigenen Kulturen eine bedeutende spirituelle Rolle. In Nordamerika wird es traditionell verwendet, um Rituale durchzuführen und heilige Zeremonien zu begleiten. Das Gras selbst gilt als Symbol der Verbindung zwischen den Menschen und der Erde. In manchen Kulturen wird das geflochtene Süßgras als „Geschenk“ der Natur angesehen, das Heilung und spirituelle Kraft bringt.
Der Akt des Flechtens von Süßgras ist nicht nur eine Handwerkskunst, sondern auch ein meditativer Prozess, der den Praktizierenden in einen Zustand der Achtsamkeit und des Einklangs mit der Natur versetzt. Jeder Faden, der geflochten wird, symbolisiert die verbindende Energie zwischen allen Lebensformen – der Mensch, die Erde und der Geist.
Für die Naturvölker ist diese Verbindung ein wesentlicher Teil ihrer spirituellen Praxis, da sie immer wieder die Botschaft vermitteln, dass alles Leben miteinander verwoben ist und dass wir durch unsere Handlungen und Gedanken mit allem, was existiert, in Beziehung stehen.
Integration in die moderne Welt: Die Rückkehr zu einer spirituellen Praxis
Die Spiritualität der Naturvölker, mit ihrer tiefen Verbindung zur Erde, ihren Ahnen und der Bedeutung von Träumen, hat eine bemerkenswerte Relevanz für die moderne Welt. In einer Zeit, in der immer mehr Menschen nach einem tieferen Sinn suchen, bietet diese Form der Spiritualität nicht nur Trost, sondern auch eine praktische Möglichkeit, mit der Welt in Einklang zu kommen.
Die Weisheit, die in Träumen, Ritualen und in der symbolischen Bedeutung von Pflanzen wie dem Geflochtenen Süßgras steckt, kann uns helfen, uns wieder mit der natürlichen Welt zu verbinden. Wenn wir das wilde, ursprüngliche Leben in unsere modernen Praktiken integrieren, können wir eine heilsame Balance finden – sowohl für uns selbst als auch für unseren Planeten.
Abschließend lässt sich sagen, dass die Spiritualität der Naturvölker uns eine wertvolle Perspektive bietet: Sie fordert uns heraus, den Blick zu weiten und das Leben in seiner gesamten Tiefe und Verbindung zu verstehen. Träume, das wilde Land und die Symbolik von heiligen Pflanzen wie dem Geflochtenen Süßgras laden uns ein, das, was uns von der Natur trennt, zu hinterfragen und uns wieder als Teil eines größeren Ganzen zu verstehen.
Spitualität in Bezug zu unserem modernen Leben
Religion und Spiritualität hat im sozialen Leben der Menschen stets eine große Rolle gespielt. In unserer heutigen westlichen Gesellschaft weicht sie zunehmend einem Materialismus. Der Glaube an eine persönliche Verbesserung seiner Situation der durch eine materielle Verbesserung zeigt sich in einer nie da gewesenen Habgier mit der der westliche Mensch sich der Erde bemächtigt. Es fehlt ein umfassender Sinn und Zweck und die isolierte menschliche Subjektivität verliert sich in der geplünderten Landschaft. Zunehmend werden die Grenzen und die Ausweglosigkeit dieser Geisteshaltung bewusst. Als Ausweg wird vielfach eine Zuwendung zu religiösen/spirituellen Werten angesehen und die Religionslosigkeit als Debakel in der Menschheitsgeschichte beschrieben. (vgl. Ptolemy Tompkins). Jared Diamond misst in seinem Buch „Vermächtnis, Was wir von traditionellen Gesellschaften lernen können“ zu unterschiedlichen Stadien der Gesellschaftsentwicklung Religionen bestimmte Stabilisierungsfunktionen zu:
Religionen können auch heute noch wichtige stabilisierende Funktionen übernehmen. Die Menschen sind in ihrer materiellen Entwicklung weit fortgeschritten, in ihrer Entwicklung als Spezies ähneln wir in vielerlei Hinsicht noch unseren Vorfahren vor 10000 Jahren. In unserer aktuellen Lebenssituation übernehmen Religionen mehr die Aufgabe der Stabilisierung der individuellen Situation, sie geben Halt und füllen die Sinnlosigkeit der modernen Existenz mit Lebenssinn. Ein Blick auf zurückliegende Lebensbedürfnisse kann somit auch eine Hilfestellung bei der Bewältigung der „neuzeitlichen Lebensaufgabe“ sein. Aus dieser Sichtweise heraus spielt es keine Rolle welcher Religion man angehört, es ist nur wichtig, diesem Bedürfnis nach“ Verbindung zum Übernatürlichen“ nachzukommen. Aus Sicht der Wildnispädagogik sind die Glaubensvorstellungen interessant die einen großen Naturbezug aufweisen. Die monotheistischen „ modernen Religionen“ nehmen hauptsächlich Bezug auf menschliche Verhältnisse und blenden die Natur aus bzw. ordnen sie dem Menschen unter.
Alle Naturvölker Leben in einem starken Naturbezug. Es ist für das Überleben der Gruppe wichtig in Einklang mit den Naturgesetzen zu leben und ist somit deren Lebensgrundlage. Dies geschieht durch eine Anpassung der Menschen an ihre natürliche Umgebung. Die Vorstellung einer besseren Natur ist weit verbreitet. Neben der sichtbaren materiellen Welt existiert eine transzendente Welt. Der Mensch nimmt Einfluss auf diese durch sein Verhalten und umgekehrt nimmt diese Einfluss auf die sichtbare Welt. Diese Welt zeigt sich nach der Lakotafrau Flaine Jahner manchmal flüchtig wenn sich Linien, Farben und Bewegungen steigern und sich etwas Heiliges zeigt. Diese transzendente Welt erscheint in den verschiedenen Kulturen in unterschiedlicher Ausprägung. Verbreitet ist der Glaube an Geister die in der Landschaft wohnen und an Tiergottheiten. Der Mensch steht in Kontakt mit Ihnen und sie reagieren auf sein Verhalten. Zieht sich z.B. Wild zurück und der Jagderfolg bleibt aus wird sehr oft auf einen Tabubruch geschlossen der die Gottheit verärgert hat. Neben diesem Aspekt hat die spirituelle Welt Einfluss auf viele weitere wichtige Belange der Menschen. Hierzu gehörten z.B. auch Krankheiten, der Verlauf von Konflikten oder die Fortpflanzung. Durch Rituale ö. ä. versuchen die Menschen diese Gottheiten zu besänftigen bzw. zu beeinflussen um das Überleben de Gruppe zu sichern.
Schamanismus
Ein interessanter Aspekt einiger indianischer Schamanen (insbesondere in Südamerika) der meiner Ansicht nach hilfreich in unseren modernen Problemlagen sein kann ist, dass sie sich die gewünschte Möglichkeit vorstellen „ sie träumen den Wunsch oder das Ziel“ und es manifestiert sich dadurch. Dieses Verhalten kann meiner Ansicht nach mit den Methoden der Autosuggestion verglichen werden. Anders ausgedrückt ist es auch ein Ansatz der sich in der modernen Psychologie wieder finden lässt. Patienten müssen ihre Sichtweise ändern und die Dinge in eine neue Beziehung bringen um Heilung zu erfahren. Der Mensch konstruiert seine Persönlichkeit und seine Umgebung selbst. Er kann das was er gerne sein möchte verwirklichen. Traditionell sitzen bei einigen Stämmen die Stammesältesten zusammen und meditieren darüber bzw. visualisieren die Welt wie sie sie ihren Enkeln überlassen wollen.
Heilung von Krankheiten ist in vielen indianischen Kulturen das Erwachen des Spirits der Vision von dem gesunden Zustand und der Erfahrung der Unendlichkeit. Dem Gefühl der Verbundenheit mit allem Leben. Nach Barry Lopez ist generell das Bestreben eingeborener Völker in der ganzen Welt eine Übereinstimmung mit dem Land zu erreichen, sich in es einzufügen. Der Traum von dieser transzendenten Übereinstimmung schloss die Entwicklung einer Jäger- und Sammlerbeziehung zur Erde ein, bei welcher die gegenseitige Achtung vorherrschen musste; aber es bedeutete auch die Erhaltung jener Geschichten, die das Volk an das Land bindet. Elanie Jahner beschreibt ebenfalls das die Vorstellung von Jagdvölkern , dass innerhalb der physikalischen Landschaft eine spirituelle Landschaft existiere einhergeht mit der Vorstellung mit dieser korrespondieren zu können.
Das Weltbild das in den „meisten wildnispädagogischen Schulen“ vertreten wird orientiert sich an der Schule von John Young. John Young versucht in seiner Schule die Essenz aus den Glaubensvorstellung der Naturvölker in seiner Schule zu lehren. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf der Kultur der First Nations.
Diese schamanische Sichtweise findet sich nicht nur in entfernten Kulturen. Unsere vorchristliche „Religion“ der Germanen ähnelt z.B. sehr der Mythologie sibirischer Schamanen. Die Welt nach der germanischen Mythologie entspricht in etwa der klassisch-sibirisch schamanischen Kosmologie der drei Welten. Ähnlichkeiten mit Reisen in die oberen und unteren Welten finden sich weltumspannend von Europa über Asien bis zu den Schamanen der Inuit in Ostgrönland.
Aus diesem Grunde möchte ich im folgenden das Weltbild der Germanen vorstellen, da es unserer kulturellen Situation „näher“ liegt. Viele Sagen, Sitten und Gebräuche die sich in unserem Kulturkreis finden lassen sich auf Götter bzw.gottesdienstliche Handlungen aus grauester Vorzeit zurückführen.(vgl. Dahn Walhall germanische Götter-und Heldensagen… ).Die Kirche hat altheidnische Feste mit christlichen zusammengelegt, z.B. das Julfest, die Wintersonnenwende, Einzug der Frühlingsgöttin, Ostara mit Ostern, Sommersonnenwende mit Johanni. Ebenso sind die Züge der Götter auf die christlichen Heiligen übertragen worden. Wotan wurde zu Sankt Martin, Freyr zu Sankt Leonhard, Baldur zu Sankt Georg. Das gleiche erfolgte mit Heilpflanzen. Alte Namen und Beschreibungen wurden übernommen und in einem christlichen Rahmen eingebettet. Der Gundermann z. B. galt bei den Germanen als Verkörperung der guten Haus- und Hofgeister die den Menschen in der Not ihre Hilfe anboten. Auch der Name lässt auf die Heilwirkung schließen. „Gund“ war die Bezeichnung für Eiter und so wird und wurde der Gundermann bei allen eitrigen Prozessen angewendet. Die Beschäftigung mit dem germanischen Weltbild, kann evtl. für einen Europäer ein einfacherer Weg zu einer spirituellen Naturverbundenheit darstellen, als die Auseinandersetzung mit der Kultur der First Nations oder anderen kulturell entfernteren Glaubensvorstellungen.